Teil I: Zur Verortung von Homosexualität in der kirchlichen Tradition
Einleitung
Im 13.
Jahrhundert hat Thomas von Aquin, der bedeutendste Theologe des Mittelalters, sexuelles
Verhalten systematisch untersucht. „Sein logischer Ausgangspunkt war folgender:
Die ‚Natur’ des menschlichen Geschlechtsverkehrs ist die Zeugung von Kindern.
Daher ist jede sexuelle Handlung, die diesem Ziel nicht dient, ‚widernatürlich’,
das heißt gegen den Willen Gottes gerichtet und sündig.“ (Haeberle 1, 2003)
Aus dieser
Grundlegung leitet sich ab, dass ‚natürliche’ sexuelle Handlungen mit dem
‚richtigen’ Ziel, dem ‚richtigen’ Partner und in ‚richtiger’ Weise stattfinden,
also zum Zwecke der Zeugung, mit dem Ehepartner und durch Koitus. Sexuelle
Handlungen sind in dem Maße ‚widernatürlich’ und sündig, in dem sie von dieser
dreifachen Moralvorschrift abweichen. Demzufolge besteht das schwerwiegenste
Vergehen wider die Natur darin, mit falschem Vorsatz (nur um des sexuellen
Vergnügens willen), mit inadäquatem Partner (zum Beispiel einem Partner
gleichen Geschlechts) und in widernatürlicher Weise (zum Beispiel mit Oral-
oder Analverkehr) sexuellen Kontakt zu haben. Alle drei Kriterien sind bei
gleichgeschlechtlicher Liebe gegeben.
Über viele Jahrhunderte zogen Kirche und
europäisch geprägte Gesellschaften im Hinblick auf Verurteilung und Bestrafung
von Homosexualität an einem Strang. Erst aufgrund von gesellschaftlichen
Entwicklungen in den 1960er Jahren (Antibaby-Pille und sexuelle Revolution) gehen
die Entwicklungslinien auseinander.
Noch bis 1968 galt in der religionsfeindlichen DDR der gleichsam thomistisch formulierte §175 in der Fassung des Reichsgesetzbuches
von 1871:
„Die widernatürliche Unzucht, welche
zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen
wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden.“
Ab 1965
gehen in der BRD aufgrund des beginnenden Wertewandels die Verurteilungen von
Männern, weil sie mit anderen Männern Unzucht getrieben haben, zurück, obwohl
der §175 erst im September 1969 reformiert wird.
1964: 2907 Fälle
1967: 1783 Fälle
1969: 894 Fälle
Gesellschaftlich
ist bezüglich Homosexualität oder – in modernerer Terminologie - LBGT
(Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) ein enormer Wandel zu verzeichnen,
wohingegen die Katholische Kirche bis zum Pontifikat von Franziskus starr und
unnachgiebig an der traditionellen Morallehre festgehalten hat. Im vorliegenden
Teil I meines Blogbeitrags skizziere ich entlang des geschichtlichen Verlaufs
die Positionierung der Katholischen Kirche zur Homosexualität, während es in
Teil II dann um aktuelle Entwicklungen gehen wird.
1. Was ist Sodomie?
Das Wort „Homosexualität“ wurde von dem Schriftsteller Karl
Maria Kertbeny (1824–1882) im Jahr 1868 geprägt, der griech. ὁμός homόs
„gleich“ und lat. sexus „Geschlecht“ zusammensetzte. Das Kompositum ist
insofern uneindeutig als homo im Lateinischen „Mann“ (aber auch „Mensch“) und
nicht - wie im Griechischen - „gleich“ bedeutet. Zudem wird sexuell häufig
nicht in der Bedeutung von „Sexus, Geschlecht“, sondern im Sinn von „sexuellem
Handeln“ aufgefasst. Dass es für Homosexualität zuvor kein gleichbedeutendes
Wort gab, deutet auf einen gesellschaftlichen Wandlungsprozess hin.
Vorläufer des Wortes „Homosexualität“ war der Begriff der „Sodomie“,
dessen Konnotation der bereits in der Einleitung zitierte §175 des Strafgesetzbuches
für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 zum Teil wiederspiegelt - immerhin galt
dieser auf bundesrepublikanischem Boden bis zum 1. September 1939:
„Die
widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder
von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch
kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“
Während mit Sodomie im christlichen Mittelalter und der
frühen Neuzeit eine Reihe von sexuellen Verhaltensweisen bezeichnet wurden,
die, da sie nicht der Fortpflanzung dienten, lehramtlich als widernatürlich
bzw. pervers eingestuft wurden, hat sich mittlerweile die Begriffsbedeutung auf
„sexuelle Handlungen mit Tieren“ verengt.
Die Bezeichnung „Sodomie“ leitet sich ab von der
alttestamentlichen Erzählung von der Vernichtung Sodoms und Gomorras im Buch
Genesis (1 Mose 19). Abrahams Neffe Lot redete zwei Engeln, die am Abend in
Sodom angekommen waren, eindringlich zu, doch bei ihm zu übernachten. „Sie waren noch nicht schlafen gegangen, da
umstellten die Einwohner der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und
Alt, alles Volk von weit und breit. Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo
sind die Männer, die heute Abend zu dir gekommen sind? Heraus mit ihnen, wir
wollen mit ihnen verkehren.“ (1. Mose 19.4-5) Die Bibelübersetzung von
Martin Luther wird an dieser Stelle deutlicher: „Führe sie heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen.“ Lot
reagierte mit einem ungeheuerlichen Angebot: „Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! Siehe, ich habe zwei Töchter,
die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter euch und tut
mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn darum sind
sie unter den Schatten meines Dachs gekommen.“ (1. Mose 19.7-8)
Im Zentrum des Textes steht die Thematik der sexuellen
Gewalt. Die meisten Bibelwissenschaftler sehen als die Ursache des Untergangs
der beiden Städte nicht gleichgeschlechtliche Sexualität. (Vgl. Scholz 2015)
Eine Lesart der Erzählung findet sich in dem zwischen 50 und
120 n.Chr. entstandenen neutestamentlichen „Brief des Judas“. In der Mahnrede wird Gott der
Herr als derjenige vor Augen geführt, der die Gottlosen vernichtet. „Sodom und Gomorra und ihre Nachbarstädte
sind ein Beispiel: In ähnlicher Weise wie jene trieben sie Unzucht und wollten
mit Wesen anderer Art verkehren; daher werden sie mit ewigem Feuer bestraft.“ (Jud
7)
Wie sich die Sodom-Thematik in der Zeit der Kirchenväter widerspiegelte
sei anhand von vier Beispielen exemplifiziert.
„Nun hat
aber die Natur es nicht einmal den geilsten Tieren gestattet, durch den
Verdauungsgang zu begatten. … Deshalb ist es für uns ohne jeden Zweifel klar,
daß man die Unzucht mit Männern und die unfruchtbaren Begattungen und die
Päderastie und die von Natur unmöglichen Verbindungen der Androgynen vermeiden
muß, gehorsam der Natur die selbst solches durch den Bau der Glieder verbietet,
indem sie dem männlichen Geschlecht die Manneskraft verliehen hat, nicht daß es
den Samen in sich aufnehme, sondern daß es ihn von sich ergieße.“
Clemens von Alexandrien († vor 215/16)
„Solltest
du … lächeln, wenn du von Höllenstrafen hörst und an jenes Feuer nicht glauben,
so denk an Sodoma! … Weil viele sich um bloße Worte nicht kümmern, darum hat
ihnen Gott durch Taten ein Bild der Hölle in einer ganz eigenen Art vor Augen
geführt. Jener Regen war ein Widerspruch in sich selbst (Feuer und Regen), wie
auch der Geschlechtsverkehr der Sodomiten ein Widerspruch gegen die Natur war.
Jener Regen überschwemmte das Land wie die Gier ihre Seelen. Er hatte die
gegenteilige Wirkung von einem gewöhnlichen Regen; er regte den Schoß der Erde
nicht nur nicht an, Früchte hervorzubringen, sondern machte sie unbrauchbar zur
Aufnahme von Samen. So war auch der Geschlechtsverkehr der Männer von Sodoma:
er machte den Körper noch unbrauchbarer. Was gibt es nur Fluchwürdigeres als
eine solche männliche Hure, was Niederträchtigeres?“
Chrysostomus († 407)
Es „sind auch
Verbrechen gegen die Natur wie die der Sodomiten immer und überall
verabscheuungswürdig und strafbar. Wenn auch alle Völker solche Sünden
begingen, alle würden doch gleicher Sündenschuld anheimfallen infolge des
göttlichen Gesetzes, das die Menschen nicht zu solchem Verkehre geschaffen hat.
Es wird ja auch die Gemeinschaft, die uns mit Gott verknüpfen soll, verletzt,
wenn eben die Natur, die er geschaffen, durch verkehrte Begierde befleckt wird.“
Augustinus (354 - 430)
"Der Herr hatte beschlossen,
Sodom für die Verbrechen des Fleisches zu bestrafen. Er wählte als Form der
Strafe einen Feuer- und Schwefelregen. Damit betonte er die Schändlichkeit
jenes Verbrechens – denn Schwefel stinkt, und Feuer brennt. Es war angemessen,
dass Sodomiten, die vor perversen Begierden, die aus dem Fleisch wie Gestank
hervorgehen, durch Feuer und Schwefel verdorben werden. Sie sollten sich durch
diese Strafe des Übels bewußt werden, das sie – getrieben von entarteten
Begierden –
begangen hatten."
Papst
Gregor der Große († 604) in seinem Werk 'Moralia in Job'
Aus dem „Brief des
Judas“ und den vier Aussagen der Kirchenväter lassen sich folgende Aspekte
sodomitischen Fehlverhaltens entnehmen:
- Verkehr mit Wesen anderer Art
- Missbrauch
von Körperzonen und –funktionen entgegen der göttlichen Naturordnung
- Abkehr
von Gott, wenn dessen natürliche Ordnung durch verkehrte Begierde befleckt wird
- Entartete
und perverse Begierden
Das Delikt,
mit Wesen anderer Art zu verkehren, wurde zu späterer Zeit kirchenpolitisch genutzt,
indem man dieses nicht auf Engel und Tiere beschränkte. So wurde auf dem Konzil
von Arles 1275 dekretiert, dass als Sodomiten auch alle diejenigen anzusehen
seien, "die sich im unbesonnenen Übermut vornehmen, mit einer Jüdin, einer
Sarazenin oder einem wilden Tier zu verkehren oder sonst etwas gegen die Natur
gerichtetes" tun. (Grenzmann 2009)
Nach dem
Lexikon der Christlichen Moral (Karl Hörmann) von 1969 wird nicht nur die homosexuelle Betätigung als Sodomie bezeichnet. „In
einem gewissen Sinn nennt man Sodomie (sodomia imperfecta) auch den widernatürlichen
Geschlechtsverkehr mit einer Person des andern Geschlechts, nämlich an einer von
der Natur dazu nicht bestimmten Körperstelle (in vase indebito).“ Damit wird noch
im späten 20. Jahrhundert am Kern des
Sodomiebegriffes festgehalten: Legtim ist Sexualität nur dann, wenn sie
auf die Fortpflanzung ausgerichtet ist. Wechselseitige Masturbation, Oral- oder
Analverkehr sowie Coitus interruptus - auch innerhalb einer ehelichen Beziehung
- sind als widernatürlich einzustufen und somit Sodomie.
2. Sodomie
in der Epoche der Scholastik
2.1 Petrus Damiani
Mit Gregor
VII. bestieg im Jahr 1073 ein erfahrener Kirchenmann den Stuhl Petri, der als
unbeugsamer Reformer das Ziel verfolgte, die Kirche moralisch zu erneuern und
ihre Macht zu vergrößern. Schon viele Jahre zuvor hatte er sich mit dem
Benediktinerprior Petrus Damiani (1006/07 – 1072) zusammengetan, der „in seiner Korrespondenz mit dem Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches, Heinrich III., und den Päpsten scharf die
Ausschweifungen des Klerus sowie die Nichteinhaltung des Zölibats (kritisierte).“ (Ökumenisches Heiligenlexikon)
Damiani
veröffentlichte im Jahr 1049 eine Papst Leo IX. gewidmete Denkschrift, den Liber
Gomorrhianus – das Buch Gomorra. In dieser Schrift skandalisierte er das „höchst säuische Leben“ mancher Kleriker
und forderte schwere Strafen für das sodomitische Laster. Erstmalig taucht die
Vokabel Sodomie als Substantiv auf, die Petrus bewusst äquivalent zur
Blasphemie setzt. „Wenn Blasphemie die
schlimmste Sünde ist, weiß ich nicht, auf welche Weise Sodomie besser sein
sollte.“ (Zitiert nach Reck 2008)
Inhaltlich fasst
Damiani „Sodomie“ als Generalbegriff für jegliche sexuellen Handlungen zwischen
Männern und verurteilt diese als schwerste Sünde. Diese moralische Einstufung aus
dem 11. Jahrhundert perpetuiert der Katechismus der katholischen Kirche von
1997, indem er daran erinnert, dass die Sodomie zu den „himmelschreienden
Sünden“ zählt. (KKK 1867)
Papst Leo
IX. antwortete Petrus Damiani fünf Jahre später brieflich
„dass Unserem Urteil alles gefallen
hat, was diese Schrift (der Liber Gomorrhianus) enthält. … Da Wir aber recht
milde verfahren, wollen Wir und gebieten auch …, dass diejenigen, die entweder
mit den eigenen Händen oder untereinander den Samen zum Ausstoß brachten, oder
auch zwischen den Schenkeln ausströmen ließen …, wenn sie die Lust gezügelt und
durch eine angemessene Buße die schändlichen Taten gesühnt haben, zu denselben
Stufen zugelassen werden, auf denen sie … gewesen waren. Den anderen soll die
Hoffnung auf Wiedererlangung ihrer Stellung genommen sein, die … - was
schauderhaft zu sagen und zu hören ist – sich auf die Rücken anderer geschoben
haben.“ (DH 687/88)
Denzinger
weist darauf hin, dass hier ein für die damalige Zeit äußerst seltenes Dokument
vorliegt, in dem sich das kirchliche Lehramt zu geschlechtlichen Verirrungen
äußert.
2.2 Thomas
von Aquin
Im 13.
Jahrhundert legt Thomas von Aquin im Rahmen des zweiten Teils seines
Hauptwerkes „Summa theologica“ (Summe der Theologie) seine Morallehre vor. Thomas
benennt vier Kardinaltugenden, an denen alle anderen Tugenden befestigt sind
wie die Tür in der Angel, nämlich prudentia (Klugheit), iustitia
(Gerechtigkeit), fortitudo (Tapferkeit) und temperantia (Mäßigung).
„Mäßigkeit“
bezeichnet die „besondere Tugend, kraft
deren nämlich der Mensch, das Begehren nach dem zügelt, was im höchsten Grade
den Menschen anlockt.“ (Thomas 1) Nach Thomas ist die Unmäßigkeit das
abscheulichste menschliche Laster. Jene Laster aber, „welche die Verhältnisse oder das Maß der menschlichen Natur
übersteigen, sind abscheulicher.“ (Thomas 2)
Als Beispiele nennt er das
Essen von Menschenfleisch, die unnatürliche Unzucht mit Tieren und mit Personen
gleichen Geschlechtes.
Die Sünde
gegen die Natur ist für Thomas eine der sechs Arten von Wollust (Einfache
Unzucht, Ehebruch, Blutschande, Verführung, Entführung und die Sünde gegen die
Natur).
„Wollust (lat.
Voluptas 'Lust, Genuss, Vergnügen' oder Libido 'Begehren, Begierde' ) ist das
mit Willen betriebene Handeln zur sexuellen Steigerung der Lust. Gegenbegriffe
sind Keuschheit oder Askese.“ (Anthrowiki: Wollust)
Die Wollust
„richtet sich in erster Linie und im
eigentlichen Sinne auf geschlechtliche Vergnügen, welche den Geist des Menschen
im höchsten Grade von Anderem abziehen und somit zerstreuen und auslösen.“ (Thomas 3)
Unter den
Sünden der Wollust ist die Sünde wider die Natur die schwerste, denn der Mensch
überschreitet hier eine Grenze, die die Natur hinsichlich des menschlichen
Umgangs mit der Geschlechtlichkeit selbst gezogen hat. Thomas sieht hier „eine Beleidigung, die man unmittelbar Gott
zufügt als dem Urheber der natürlichen Ordnung. Deshalb sagt Augustin:
<Schandtaten gegen die Natur müssen überall und immer bestraft werden, wie
z. B. die Sünden der Sodomiten.>“ (Thomas 4)
Die Konvention, widernatürliches Sexualverhalten als gegen Gott selbst gerichtet anzusehen, wirkte sich auf die Rechtsprechung der kirchlichen Gerichtshöfe des Mittelalters so aus, dass Sünden 'gegen die Natur' wesentlich härter bestraft wurden als Sünden 'gemäß der Natur'. "Auf Vergewaltigung stand Buße bis zu einem
Jahr, auf Ehebruch bis zu sieben Jahren. Masturbation und unbeabsichtigter
Orgasmus im Schlaf wurden mit weniger harten Bußen belegt. Homosexuelles
Verhalten und sexueller Kontakt mit Tieren konnten demgegenüber mit Bußen von 22
Jahren bis lebenslänglich geahndet werden.“
(Haeberle 2, 2003)
Wie bereits
gesagt, besteht für Thomas die Natur des geschlechtlichen Aktes darin, dass
dieser „zum Ziele hat die Zeugung und
somit die Fortpflanzung der menschlichen Natur.“ (Thomas 5)
Menschliches
Sexualverhalten, das gegen diese postulierte Naturordnung verstößt, unterteilt
er in vier Kategorien: „Masturbation, dem
Verkehr mit einem ‚Wesen einer anderen Art’, dem Verkehr mit einer Person, die
nicht das geforderte Geschlecht besitzt, und dem unnatürlichen Vollzug des
Beischlafs, etwa durch die Benutzung ungehöriger Instrumente oder auf andere ‚monströse
und bestialische Weisen’. Am schwersten wiegt dabei die Unzucht mit einem Tier,
am geringsten die ‚Unreinheit, die einer mit sich allein begeht.“ (Wikipeda:
Sodomiterverfolgung)
Springt man
aus dem 13. Jahrhundert in die Jetzt-Zeit, so lässt sich anhand der Enzyklika
„Humanae Vitae“ Pauls VI. aus dem Jahr 1968, die heftigste Kontroversen
auslöste, zeigen, dass die katholische Morallehre nach wie vor auf der Lehre
des Aquinaten aufruht.
„Ein Akt
gegenseitiger Liebe widerspricht dem göttlichen Plan, nach dem die Ehe
entworfen ist, und dem Willen des ersten Urhebers menschlichen Lebens, wenn er
der vom Schöpfergott in ihn nach besonderen Gesetzen hineingelegten Eignung,
zur Weckung neuen Lebens beizutragen, abträglich ist.“ (Nr. 13)
Was sich
allein verändert hat, ist die Zunahme an Optionen, wider die Natur zu sündigen
und „die natürliche Weise des geschlechtlichen Zusammenlebens
nicht ein(zu)halten.“ (Thomas 5)
Die
unerlaubten Handlungsweisen werden in Artikel 14 benannt:
- „Der direkte Abbruch einer
begonnenen Zeugung“
(Coitus interruptus)
- „Die direkte Abtreibung - auch wenn zu
Heilzwecken vorgenommen“
- „Sterilisierung des Mannes oder der
Frau“
- „Jede Handlung ist verwerflich, die
entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes … darauf
abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel
zum Ziel“
(Kontrazeption)
So lautet
denn das abschließende Verdikt von Paul VI.: Es ist „niemals erlaubt - auch aus noch so
ernsten Gründen nicht -, Böses zu tun um eines guten Zweckes willen: das heißt
etwas zu wollen, was seiner Natur nach die sittliche Ordnung verletzt und
deshalb als des Menschen unwürdig gelten muß; das gilt auch, wenn dies mit der
Absicht geschieht, das Wohl des einzelnen, der Familie oder der menschlichen
Gesellschaft zu schützen oder zu fördern.“ (Nr. 14)
3. Die lehramtliche Beurteilung der
Homosexualität in der Gegenwart
3.1 Persona Humana 1975
Im Jahr
1975 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre unter ihrem
Präfekten Franjo Seper „Persona humana“, eine Erklärung zu einigen Fragen der
Sexualethik. Artikel 8 befasst sich mit „Seelsorge und Homosexualität“.
Ausgangspunkt
der lehramtlichen Positionierung ist die Unterscheidung von Homosexuellen,
deren Neigung auf psychosozialen Ursachen beruht und die „eine Übergangserscheinung darstellt oder wenigstens nicht unheilbar
ist“ und Homosexuellen, deren anormale – Vokabular des Textes - Ausrichtung
als feststehend anzusehen ist.
Zurückgewiesen
wird hinsichtlich originär homosexueller Personen die Ansicht, „dass ihre Neigung derart natürlich ist,
dass sie für sie als Rechtfertigungsgrund für ihre homosexuellen Beziehungen in
einer eheähnlichen aufrichtigen Lebens- und Liebesgemeinschaft angesehen werden
muss.“
Die in der
Erklärung vorgenommene Beurteilung von Homosexualität ist rigide und
apodiktisch:
„Nach der objektiven sittlichen
Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen
und unerlässlichen Regelung beraubt sind. Sie werden in der Heiligen Schrift
als schwere Verirrungen verurteilt und als die traurige Folge einer Zurückweisung
Gottes dargestellt.“
Als Beleg
wird eine Stelle von Paulus’ Römerbrief angeführt: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das
Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in
Ewigkeit. Amen. Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: ihre
Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso
gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in
Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den
gebührenden Lohn für ihre Verirrung.“ (Röm 1.23-27)
Die
Bibelstelle spricht von den Folgen von Götzendienst, die darin bestehen, dass
offensichtlich heterosexuelle Frauen und Männer "widernatürliche" sexuelle Praktiken
ausüben. Vermutlich war Homosexualität als Ausdrucksform gleichgeschlechtlicher
Liebe für Paulus gar keine Denk- und
Vorstellungskategorie. Es ist davon auszugehen, dass er Homosexualität in einer
Form vor Augen hatte, wie sie in der
heidnischen Welt - nämlich im antiken Helllas und Rom - in
asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnissen stattfand. Ein Junge ab 12 Jahren
oder ein junger Mann hatte sich einem älteren Mann als Geschlechtspartner zur
Verfügung zu stellen. Das konnte in Griechenland ein Lehrer-Schülerverhältnis sein,
während in Rom für den unterlegenen Part Sklaven herhalten mussten. (vgl.
Scholz 2012)
Meines
Erachtens geht die Argumentation der Erklärung an der zu behandelnden
Problematik vorbei.
3.2 Der Katechismus der katholischen Kirche 1993
Homosexualität
ist im Katechismus den Verstößen gegen die Keuschheit zugeordnet.
Beziehungsform, Vorkommen und Ursache von Homosexualität werden empirisch
angemessen beschrieben. Indem von sexueller Veranlagung gesprochen wird,
unterbleibt jegliche Schuldzuweisung. Allerdings wird postuliert, „dass die homosexuellen Handlungen in sich
nicht in Ordnung sind“ (Nr.2357), und es wird daraus abgeleitet, dass Betroffene darauf zu
verzichten haben, ihre Sexualität zu leben. Sie werden aufgefordert, „wenn sie Christen sind, die
Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem
Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.“
(Nr. 2358) Diese Aussage ist schlüssig, wenn sie sich auf
gesellschaftliche Anfeindungen gegen Homosexuelle bezieht, wird aber zur
menschenfeindlichen ideologischen Überhöhung, wenn sie als Bewältigungsmodus
von unnötiger Selbstkasteiung anempfohlen wird.
3.3 Kongregation für die Glaubenslehre 2003: Erwägung zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen
"Die Ehe ... wurde vom Schöpfer
mit einer eigenen Natur sowie eigenen Wesenseigenschaften und Zielen begründet.
Keine Ideologie kann dem menschlichen Geist die Gewissheit nehmen, dass es eine
Ehe nur zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts gibt, die durch die
gegenseitige personale Hingabe, die ihnen eigen und ausschließlich ist, nach
der Gemeinschaft ihrer Personen streben."
Was hier
über die Ehe gesagt wird, ließe sich auf gleichgeschlechtliche Liebe, die auf
Dauer angelegt ist, übertragen. Allerdings fügt Joseph Ratzinger im folgenden
Satz das katholische Konstituens, dass die zwei Personen mit Gott an der
Erzeugung neuen Lebens mitwirken, hinzu.
Die Ehe und
die gleichgeschlechtliche Lebensbeziehung vergleichend formuliert Ratzinger: "Die Ehe ist heilig, während die
homosexuellen Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz verstoßen. Denn bei
den homosexuellen Handlungen bleibt die Weitergabe des Lebens beim
Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und
geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
Die zugespitzte
Schwarz-Weiß-Polarisierung ist für mich ein Indiz dafür, dass sich der Präfekt
der Glaubenskongregation vom gegenläufigen Zeitgeistdenken herausgefordert sieht
und er deshalb um so dezidierter die traditionelle katholische Position
vertritt.
Während der
Katechismus von 1993 noch von Homosexualität als nicht selbst gewählter
Veranlagung spricht, fällt Kardinal Ratzinger zehn Jahre später auf den
Anomaliebegriff von 1975 zurück. Nach seiner Auffassung kann man aus dem Urteil
der Heiligen Schrift nicht ableiten, „dass
alle, die an dieser Anomalie leiden, persönlich dafür verantwortlich sind,
bezeugt aber, dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind.“
Die Konsequenz bleibt dieselbe:
„Homosexuelle Praktiken gehören zu den Sünden, die schwer gegen die Keuschheit
verstoßen.“ (Nr. 4)
Die
zunehmende Fragwürdigkeit der katholischen Morallehre wird insbesondere
deutlch, wenn sich Joseph Ratzinger auf gesellschaftliches Terrain begibt.
„Die Gesellschaft verdankt ihren
Fortbestand der Familie, die in der Ehe gründet. Die unvermeidliche Folge der
rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften ist, dass man
die Ehe neu definiert und zu einer Institution macht, die in ihrer gesetzlich
anerkannten Form die wesentliche Beziehung zu den Faktoren verliert, die mit
der Heterosexualität verbunden sind, wie zum Beispiel die Aufgabe der
Fortpflanzung und der Erziehung.“
Abgesehen
davon, dass heutzutage viele Kinder außerhalb eines Ehekontextes aufwachsen,
ist die Behauptung, dass durch eine Erweiterung des Ehebegriffes der
traditionellen Ehe irgendetwas verloren ginge, schlichtweg nicht
nachvollziehbar. Zur Aufgabe der Erziehung sei angemerkt, dass diese schon
immer ein zeit- und kulturabhängiges Phänomen war und zum Beispiel
kollektivistisch organisiert sein kann, indem das ganze Dorf für die Erziehung
der Kinder zuständig ist.
Die bis
heute geltende Lehrauffassung hinsichtlich homosexueller Beziehungen wurde vom
Präfekten der Glaubenskongregation im Juni 2003 veröffentlicht. Keine zwei
Jahre später wurde Joseph Ratzinger vom Kardinalskollegium zum Papst gewählt.
Quellen
Augustinus
Chrysostomus
Clemens von Alexandrien
DH Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Hg. Peter Hünermann. Freiburg 2010
Gregor der Große
Grenzmann, Ludger et al: Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit: I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien. 2009, S. 260
Haeberle 1, 2003
Haeberle 2, 2003
Hörmann 1969: Sodomie
KKK Katechismus der Katholischen Kirche
Kongregation für die Glaubenslehre 1975 Persona humana: Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik
Kongregation für die Glaubenslehre 2003 Erwägung zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen
Ökumenisches Heiligenlexikon: Gregor VII.
Paul VI. 1968 Humanae vitae
Reck,, Norbert. 2008 Von Sodom zur Sodomie ..
Scholz, Stefan. 2012 Homosexualität (NT)
Scholz, Stefan. 2015 Ist Homosexualität unbiblisch?
Thomas 1
Thomas 2
Thomas 3
Thomas 4
Thomas 5
Quellen
Augustinus
Chrysostomus
Clemens von Alexandrien
DH Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Hg. Peter Hünermann. Freiburg 2010
Gregor der Große
Grenzmann, Ludger et al: Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit: I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien. 2009, S. 260
Haeberle 1, 2003
Haeberle 2, 2003
Hörmann 1969: Sodomie
KKK Katechismus der Katholischen Kirche
Kongregation für die Glaubenslehre 1975 Persona humana: Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik
Kongregation für die Glaubenslehre 2003 Erwägung zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen
Ökumenisches Heiligenlexikon: Gregor VII.
Paul VI. 1968 Humanae vitae
Reck,, Norbert. 2008 Von Sodom zur Sodomie ..
Scholz, Stefan. 2012 Homosexualität (NT)
Scholz, Stefan. 2015 Ist Homosexualität unbiblisch?
Thomas 1
Thomas 2
Thomas 3
Thomas 4
Thomas 5